Tipps zur Hilfsmittelversorgung

Zur Unterstützung bei eingeschränktem Sehvermögen oder Blindheit gibt es eine Vielzahl von Hilfsmitteln – von der klassischen Lupe bis zur IT-Lösung. Mit den folgenden Tipps möchten wir Ihnen auf dem Weg zum Hilfsmittel weiterhelfen.

1. Wie finde ich den richtigen Kostenträger?

Das Hilfsmittelrecht ist kompliziert. Um niemanden zu überfordern, gibt es gesetzliche Regeln, die eine rasche Klärung des zuständigen Kostenträgers verbindlich festlegen. Stellen Sie den Antrag also bei einem falschen Kostenträger, muss er den Antrag innerhalb einer Frist von maximal zwei Wochen weiterleiten. Die Kostenträger sollen Zuständigkeitsstreitigkeiten untereinander klären und müssen notfalls auch vorläufig über Anträge entscheiden, für die eigentlich ein anderer Träger zuständig ist.

Als vereinfachte Faustregel gilt: Wer für die benötigten Hilfsmittel zuständig ist, richtet sich vor allem nach der Ursache der Behinderung und nach dem geplanten Einsatz des Hilfsmittels. Für den privaten Gebrauch wird in der Regel die Krankenkasse erster Ansprechpartner sein. (Versicherte einer privaten Krankenversicherung haben Anspruch auf Kostenübernahme von Hilfsmitteln und Sehhilfen, soweit dies vertraglich vereinbart ist. Hier hilft nur der Blick in die Vertragsbedingungen.) Für Hilfsmittel zum Schulbesuch können Krankenkassen oder Eingliederungshilfeträger zuständig sein, werden sie zum Studium gebraucht, wendet man sich an die Arbeitsagentur oder auch hier an den Eingliederungshilfeträger, für beruflich genutzte Hilfsmittel dagegen an die Arbeitsagentur, den Rentenversicherungsträger oder das jeweilige Inklusionsamt. Geht es um die soziale Teilhabe, kommt gegebenenfalls der Träger der Eingliederungshilfe in Betracht. Ist die Seheinschränkung Folge eines Arbeitsunfalls, hat die Berufsgenossenschaft einzustehen.

2. Was ist ein Hilfsmittel?

Für die gesetzlichen Krankenkassen sind Hilfsmittel nur solche Gegenstände, die besonders als Hilfsmittel für behinderte Menschen hergestellt und angeboten werden. Wenn etwas im ganz normalen Technikladen gekauft werden kann, wird es von der Kasse nicht gezahlt – das betrifft zum Beispiel das Smartphone, auch wenn es noch so gut spricht und hilft. 

Als Orientierungshilfe gibt es das Hilfsmittelverzeichnis, das vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen herausgegeben wird. Hier werden Hilfsmittel systematisch gelistet und auch Qualitätsanforderungen beschrieben. Das Hilfsmittelverzeichnis ist aber kein abschließender Katalog. Wenn die Krankenkasse schreibt: „Wir lehnen das Hilfsmittel ab, weil es nicht im Hilfsmittelverzeichnis steht“, dann sollte man sich dagegen wehren. Andererseits hat man nicht automatisch Anspruch auf alle Hilfsmittel, die im Verzeichnis gelistet sind.

Entscheidend im Zusammenhang mit dem Behinderungsausgleich ist, ob jemand ein Hilfsmittel zur Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens braucht. Zu diesen Grundbedürfnissen gehören auch das selbstständige Wohnen und die dafür erforderliche Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Deshalb fallen u. a. auch Farb- und Produkterkennungsgeräte, der Blindenlangstock und der Blindenführhund, behinderungsgerechte Zurüstungen eines PC oder vergrößernde Sehhilfen verschiedenster Art zum Leistungsumfang.

Bei allen anderen Kostenträgern gibt es den „engen“ Hilfsmittelbegriff der Krankenkassen nicht. Hier gehören zu den Hilfsmitteln auch Alltagsgegenstände, auf die behinderte Menschen besonders angewiesen sind. So kann für den Arbeitsplatz beispielsweise auch ein besonders großer Monitor als Hilfsmittel finanziert werden.

Für alle Kostenträger gilt: Gezahlt wird nur, was geeignet und notwendig ist. Teurere Hilfsmittel, die vielleicht ein wenig schicker aussehen, aber keine besonderen Gebrauchsvorteile bieten, werden nicht finanziert bzw. müssen entstehende Mehrkosten dann selbst gezahlt werden.

3. Welches Hilfsmittel brauche ich?

Bei Hilfsmitteln gibt es oft mehrere Optionen. Das Teuerste ist jedoch nicht immer das am besten geeignete Hilfsmittel. 

Vor jeder Anschaffung sollten Sie sich fragen: Was möchte ich im Alltag eigenständig machen und gibt es dafür ein geeignetes Hilfsmittel? Bei der Beantwortung dieser Fragen helfen die Diagnostik und Empfehlungen des Augenarztes sowie eine spezialisierte Hilfsmittelberatung und Erprobung möglichst unter Alltagsbedingungen. Nehmen Sie sich zum Ausprobieren einer Lupe also unbedingt Ihre Lieblingszeitschrift oder Ihr Handarbeitszeug mit oder gehen Sie nach Möglichkeit mit einer Kantenfilterbrille auch raus vor die Tür, um die Wirkung bei verschiedenen Lichtverhältnissen zu testen. Suchen Sie sich möglichst eine unabhängige Beratung und lassen Sie sich nicht vom erstbesten Verkäufer beeinflussen. Nutzen Sie die Beratungsangebote der Selbsthilfe! Dort kann man Ihnen bei Bedarf spezialisierte Augenoptiker und -optikerinnen nennen. (Für die Beratung zu Hilfsmitteln und deren Erprobung beim Augenoptiker bzw. bei der Augenoptikerin sollten Sie einen Termin vereinbaren und dabei erfragen, ob in diesem Zusammenhang Kosten entstehen.) Auch Rehabilitationsfachkräfte für Orientierung und Mobilität sowie Sehbehindertenambulanzen an Augenkliniken können weiterhelfen.

Eine gute Bedarfsermittlung hilft gleich doppelt: Sie erhalten am Ende die Unterstützung, die Sie wirklich weiterbringt, und Sie können Ihre Ansprüche beim zuständigen Kostenträger überzeugend geltend machen.

4. Was ist beim Antrag zu beachten?

In aller Regel ist vor Beschaffung des Hilfsmittels ein Antrag beim Kostenträger zu stellen und ggf. eine ärztliche Verordnung oder ein Kostenvoranschlag beizufügen. Auch wenn die Versorgung mit einem Hilfsmittel wirklich dringend ist, ist von einer Beschaffung vor Antragstellung abzuraten. Denn in diesem Fall besteht seitens des Kostenträgers häufig keine Versorgungsverpflichtung mehr.

Kostenträger haben teilweise Verträge mit Hilfsmittelanbietern und unter bestimmten Voraussetzungen können auch gebrauchte Geräte zur Verfügung gestellt werden. Will man andere Geräte haben, braucht man dafür individuell zwingende Gründe oder man muss entstehende Mehrkosten selbst zahlen.

Es empfiehlt sich, den Antrag selbst zu stellen und das nicht dem Hilfsmittelanbieter zu überlassen. So ist gewährleistet, dass Sie den Überblick über den Fortgang des Verfahrens behalten.

Damit Sie immer mitverfolgen können, wie es um Ihren Antrag bestellt ist, haben Sie das Recht, alle Zwischennachrichten oder Bescheide, die sich im Laufe des Verfahrens ansammeln, in einer für Sie wahrnehmbaren Form einzufordern. Die Kostenträger sind verpflichtet, Ihnen die Dokumente je nach Wunsch vergrößert, in einem elektronischen Format, in Braille oder als DAISY-Version zur Verfügung zu stellen.

5. Was gehört zur Hilfsmittelversorgung noch dazu?

Zum Leistungsumfang gehört immer auch die Einweisung in den Gebrauch des jeweiligen Hilfsmittels, zum Beispiel die Einweisung in ein Lesegerät oder das Mobilitätstraining für den Langstock. Ebenso zum Umfang gehören Anpassung und Instandhaltung des Hilfsmittels sowie gegebenenfalls eine rechtzeitige Ersatzbeschaffung, beispielsweise bei absehbarem Verschleiß. Man sollte bei der Versorgung darauf achten, dass diese Leistungen vorgesehen sind und auch stattfinden. 

6. Wann habe ich Anspruch auf ein neues Hilfsmittel?

Es gibt kein Recht auf eine turnusmäßige Neuversorgung, nicht nach einem Jahr und nicht nach fünf oder zehn Jahren! Ein neues Hilfsmittel kann man insbesondere bekommen, wenn

  • sich die gesundheitlichen Einschränkungen geändert haben (z. B. das Sehvermögen verschlechtert hat) und dadurch der Bedarf mit dem alten Hilfsmittel nicht mehr gedeckt ist
  • sich der Bedarf verändert hat, weil z. B. am Arbeitsplatz neue Aufgaben hinzugekommen sind, die mit der vorhandenen Ausstattung nicht erfüllt werden können
  • das alte Hilfsmittel kaputt ist (außer ggf. bei Selbstverschulden)
  • das alte Hilfsmittel zusammen mit neuer Technik nicht mehr funktioniert, z. B. die alte Vergrößerungssoftware mit neueren Betriebssystemen nicht mehr läuft
  • es neue Hilfsmittel gibt, die wesentlich mehr können und deutliche Gebrauchsvorteile bieten

7. Wer hilft mir weiter?

Bei Fragen oder Problemen wenden Sie sich an die Beratung der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe:

www.blickpunkt-auge.de

www.pro-retina.de/beratung

www.dvbs-online.de/beratung

Sie müssen Widerspruch einlegen oder klagen? Für Mitglieder einer Landesorganisation oder eines Ortsvereins des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes, der PRO RETINA Deutschland und des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf kann das die rbm-Rechtsberatung (www.rbm-rechtsberatung.de

Die Tipps wurden zusammengestellt durch Christiane Möller, Justiziarin des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes.

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